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Verbundenheit als Schlüssel der Heilung


Westen, der Platz der inneren Heilerin / des inneren Heilers




Der Westen ist jene Himmelsrichtung, wo die Sonne untergeht und wir in die Dunkelheit eintauchen. Es sind die Tiefen unserer Seele, mit denen wir hier in Berührung gehen, womit auch der Kontakt zu verborgenen Schatten möglich ist. Nicht verwunderlich, dass genau an jenem Platz im Regenbogenmedizinrad unser*e innere*r Heiler*in zu finden ist, deren Botschaft sich im Westschild zeigt. Diese ureigene Heilkraft braucht es, damit was immer wir an körperlichen oder emotionalen Schmerzen spüren heilen kann.



Als Seele sind wir in der Einheit, wenn wir uns nun als Mensch verkörpern, entscheiden wir uns für Erfahrungen in einer polaren Welt. Plötzlich gibt es hell und dunkel, kalt und warm sowie gut und böse. Wir erfahren uns getrennt von der Welt, was uns in der Regel Angst macht, denn nun fühlen wir uns aus der Einheit gefallen und allein – wir spüren einen Verlustschmerz. Hier ähneln einander die kollektive und individuelle Entwicklung des Menschen: Der archaische Mensch lebte in Verbundenheit mit der Natur, eine Einheit, die wir alle im Bauch unserer Mütter wiedererleben. Ein Fötus ist eins mit seiner Mutter, lebt eingehüllt in Geborgenheit, Sicherheit und Wärme. Für alles ist gesorgt, es ist ein paradiesisches Erleben. Mit der Geburt – und damit der Trennung von der Mutter – kommt der große Verlust dieser Einheitserfahrung, es entsteht eine Art Urwunde und damit ein Urschmerz.


Diesem ersten Verlust werden im Laufe eines Lebens noch viele weitere folgen, alleine schon, weil das ganze Leben Wandlung und Veränderung bedeutet. Das Leben verläuft zyklisch, es ist ein ständiger Prozess des Werdens und Vergehens. Der Tag beginnt und endet, ebenso eine Jahreszeit, ein Jahr, ein Lebensabschnitt. Wir beginnen einen Job und beenden ihn, wir kommen mit Menschen zusammen und trennen uns wieder. Mit jeder Entscheidung, die wir treffen, entscheiden wir uns für etwas, doch verlieren auch die anderen Optionen. Jeder dieser Verluste erzeugt einen aktuellen Schmerz, der den Urschmerz der Trennung der Einheit berührt.



„Das Ziel der Veränderung ist ein anderer zu werden. Das Ziel der Verwandlung ist immer mehr ich selbst zu werden.“ Anselm Grün



Typischerweise wollen wir Schmerzerfahrungen lieber vermeiden, wir decken unsere unangenehmen Gefühle gerne zu. Doch so können sie nicht heilen, im Gegenteil, durch diese Strategien kehren sie nicht selten als psychische oder sogar körperliche Symptome wieder und beschäftigen uns auf diese Weise. Heilung im Sinne von Ganz-Werdung ist jedoch möglich, wenn wir Verlust, Vergänglichkeit und damit auch den Tod annehmen und den damit einhergehenden Schmerz fühlen. Es bedeutet zu akzeptieren, dass zu einem Leben in Polarität Freude UND Schmerz, Leben UND Tod gehören.

Um Schmerz nicht zu fühlen, gehen wir aus dem Kontakt mit uns selbst, wobei wir uns selbst verlassen und den Zugang zu unserer eigenen Gefühlsweisheit verlieren. Wenn wir aus der Verbundenheit mit unserem wahren Selbst gehen, können wir uns auch anderen Menschen gegenüber nicht verbunden fühlen – was bleibt ist eine Leere sowie eine tiefe, unerfüllte Sehnsucht nach Nähe und Intimität uns selbst und anderen gegenüber. Verbundenheit ist eines unserer tiefsten natürlichen Bedürfnisse, das zeigt sich schon an Babys, die vom Tag der Geburt an darauf ausgerichtet sind, eine innige Bindung mit ihren nahen Bezugspersonen aufzubauen. Es ist auf eine Art paradox: Was wir uns als Mensch sehnlichst wünschen ist die Erfahrung von Einheit und Verbundenheit, weil wir jedoch in diesem Verbundensein alles spüren und das meint die angenehmen wie auch die unangenehmen Gefühle, entwickeln wir Strategien der Schmerzvermeidung, mit denen wir uns in der Regel vom Fühlen abschneiden und damit uns selbst in die Trennung hineinführen, wo der Schmerz des Alleinseins und des Verlusts warten. Daraus entwickelt sich eine immer weiter fortsetzende Dynamik.



„Die Kunst der Menschwerdung besteht darin, das Alleinsein in ein All - Eins -Sein zu verwandeln.“ Peter Schellenbaum




Um uns wieder mit uns selbst zu verbinden, braucht es in erster Linie Bewusstwerdung. Das bedeutet einerseits, dass wir uns unserer Gedanken bewusst sind und andererseits geht es um die Wahrnehmung unseres Körpers und damit der Gefühle, Stimmungen und Bedürfnisse, die gerade vorherrschen. Das kann sehr wohl bedeuten, dass wir nun in Kontakt mit den Schmerzen kommen, die wir mit den verschiedensten Strategien wie Süchten, Shopping, Flucht in Arbeit etc. versuchten zu betäuben. Der Weg zur Verbundenheit mit sich selbst und damit zu einem mit Allem und Allen verbundenen lebendigen Sein ist ein Weg der Wahrhaftigkeit und Selbsterkenntnis. Es ist eine Reise zu uns selbst, auf der wir annehmen, dass wir Licht und Schatten sind und dabei lernen, uns mit all unseren menschlichen Stärken und Schwächen bedingungslos zu lieben. Auf dieser Reise führt uns unsere innere Heilerin bzw. unser innerer Heiler. Diese Kraft in uns macht sich bemerkbar als Intuition, als die Stimme der Seele.



Auf meiner ganz persönlichen Lebensreise hat mich über viele Jahre die laute Stimme der Selbstkritik begleitet. Dann hat sich dazu eine rosa Wolke gesellt, die einfach alles positiv färben wollte. Nachdem ich diese Wirkmechanismen langsam enttarnt und begonnen habe, meine Schatten zu sehen, hat sich die Selbstoptimierung deutlicher gezeigt. Hat sich einmal ein Schatten an die Oberfläche gewagt, war mein Zugang: „Was kann ich tun, damit er weggeht?“ Die geliebten Anteile in mir haben sich nahezu auf diesen ungeliebten Störenfried gestürzt, um ihn schnellstmöglich loszuwerden. Man kann sich gut vorstellen, dass bedürftige Anteile in mir, die schon in Kindesjahren Aufmerksamkeit vermisst haben, sich auf diese Weise nicht gesehen und angenommen fühlten, sie vermissten nun nicht mehr die Zuwendung meiner Eltern sondern nun war ich es selbst, die ihnen die Zuwendung vorenthielt. Erst als ich begann, mir selbst in Freundlichkeit und Selbstmitgefühl zu begegnen – und zwar allen Aspekten an mir – hat mein Leben eine neue Richtung aufgenommen, die ich mit einer wachsenden Verbundenheit beschreiben würde. Aus der Verletzlichkeit die darin liegt, sein Inneres zu zeigen, wachsen Früchte wie Kraft, Mut, Freiheit und Macht, vor allem aber wohnt ihnen eine immense Lebendigkeit inne.



„Wenn ich mich so wie ich bin akzeptiere, dann verändere ich mich.“ Carl Rogers



Der Weg der Wahrhaftigkeit ist ein Weg der Präsenz, denn nur im gegenwärtigen Moment können wir mit dem was in uns und um uns ist in Kontakt sein, mit dem was wahrhaft ist. Mit einem Herumkreisen in Gedanken der Vergangenheit oder Zukunft machen wir uns Vorstellungen von der Wirklichkeit – übrigens eine wertvolle Gabe des Menschen – die uns allerdings gleichzeitig wegführt von dem was ist und wie es gerade ist, wodurch wir die Verbundenheit mit dem gegenwärtigen Moment verlieren. Möchten wir wieder an die Quelle von Freude und Glück andocken, dann ist das zentrale Geheimnis dazu, die eigene innere Wahrheit zu (er)leben.







Text & Bilder: Alexandra Neubauer


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